Wahre Lügen (Andreas Adlon)

Wahre Lügen - Andreas AdlonWie bitte? Eben noch im künstlichen Koma, dann heimlich aus dem Spital geflohen? Mein lieber Schwan, wer schon mal jemanden im künstlichen Schlafzustand gesehen hat, der weiss: Da haut man nach dem Erwachen nicht einfach mal eben ab. Da gibt’s erst eine Menge Arbeit mit dem Entfernen von Schläuchen, Infusionen und so Zeugs. Und auch dann ist mit Aufstehen meist längere Zeit nichts.

Das musste jetzt einfach mal gesagt sein. Aber jetzt der Reihe nach: Der zweite Adlon in Folge, die zweite Geschichte um die Polizisten Paul Schweigert und Lisbeth Eicken. Diesmal geht’s um das Thema Stalking. Julia Wilken meldet sich bei der Polizei, weil ihr Ex-Freund ihr nachstellt. Der wird aber kurz darauf ermordert, ohne dass das Stalking endet. Es geht nicht lange, da wird eine weitere Person brutal ermordert, die Julia kannte und sie heimlich begehrte.

Die Polizei tappt naiv – das muss man mal so sagen – im Dunkeln. Dass Adlon scheinbar lieber den Leser verwirrt als die Geschichte voranzutreiben, mag man noch als Stil abtun. Ist vermutlich auch Geschmacksache, zahlreiche Leser schätzen das ja offensichtlich, wenn man den Amazon-Bewertungen glaubt. Aber die Art und Weise, wie die Polizei in diesem Roman ihre Schlüsse zieht, ist nicht mehr nur unglaubwürdig, sondern geradezu bescheuert.

So wird bei dem Mord, bei dem das Opfer dreimal (!) vom Auto überfahren wird, von Beginn an angenommen, dass es sich beim Täter um einen Mann handlen muss. Warum? Keine Ahnung. Für mich wäre eher das Gegenteil der Fall, dass eine Frau im Auto sass, weil sie sich darin stärker fühlte als der Mann. Ich bin kein Psychologe, aber dieser und andere Schlüsse werden einfach in den Raum gestellt, ohne dass sie plausibel begründet werden. Das nimmt der Polizei dieser Geschichte die Glaubwürdigkeit. Und weil es sich dabei um die Hauptfiguren handelt, leidet eben die ganze Geschichte.

Am Ende ist der Täter tatsächlich ein Mann. Aber auch da macht sich wieder Unglaubwürdigkeit breit. Wenn so stark geplant wird und ein derartiges Wut-Potential vorhanden ist, wäre eine andere Mordart einfach realistischer gewesen.

Nun gut, die Polizei tappt also weitgehend im Dunkeln und verdankt die wesentlichen Fortschritte eigentlich eher dem Zufall. Dies gilt insbesondere für den entscheidenden „Fortschritt“ gegen Ende der Geschichte, der wie aus heiterem Himmel kommt. Da wundert sich der Leser dann durchaus darüber, dass die Oldenburger Polizisten offenbar wenig Erfahrung, kaum Kombinationsgabe und keine Disziplin hat. Da vernachlässigt man bei den Ermittlungen tatsächlich über Tage oder Wochen (so genau weiss man das als Leser leider nicht, das Zeitgefühl ist kaum vorhanden) die Ermittlungen im näheren Umfeld des Stalking-Opfers? Man besucht Frau Wilken am Arbeitsplatz zur Befragung auf (aber hallo?) und konzentriert sich teilweise willkürlich auf einzelne Personen, wie den Arbeitskollegen von Julia Wilken. Natürlich ist der verdächtig, jedenfalls für den Leser. Dafür sorgt der Autor mit der Art, wie er über ihn und andere Personen schreibt. Aber warum kommt die Polizei auf ihn? Hat die das Manuskript von Adlon gelesen?

Dafür werden, wie bereits erwähnt, andere Personen bzw. Personengruppen schlicht ignoriert. Und prompt findet sich der Täter dann auch da, wo ihn aufmerksame Leser schon länger, sonst aber niemand vermutete.

Solche Logik-Mängel werden leider nicht wettgemacht durch andere Faktoren. Die Geschichte ist nie wirklich spannend, stellenweise sogar echt langweilig. Wer will in einem Krimi schon seitenlang davon lesen, was die Hauptfiguren gegen Eheprobleme unternehmen, wie sie die Zeit mit ihrem neuen Freund erleben oder wie sie einkaufen. Viel zu viele Seiten gehen mit solchen Belanglosigkeiten drauf, die kein bisschen Einfluss auf die Geschichte haben. Insbesondere die Leser, die bereits den ersten Teil der Nordsee-Krimi-Reihe gelesen haben, denken sich wohl desöftern, hier das Selbe in grün zu lesen. Oder so.

Das Spannendste (nebst der Frage, ob Lissi schwanger wurde) ist auch hier wieder die Verwirrung, die Adlon erfolgreich gelingt. Durch die Art, wie er gewisse Geschehnisse beschreibt, ohne die Person zu nennen, führt unweigerlich dazu, dass man rätselt, wer das jetzt war. Da man sich aber mehrmals nicht sicher sein kann, ob es sich dabei immer um die gleiche Person handelt, wird der Rätselspass ein bisschen getrübt. Man kann den Täter nicht herausfinden, weil der Autor viele Verdachtsmomente streut und manche davon einfach unbeantwortet im Raum stehen lässt. Ich meine, Andreas Adlon wäre gut beraten, mehr in die Geschichte an sich zu investieren statt in die Leserverwirrung.

Ähnlich wie im ersten Teil geht’s auch hier Kapitel um Kapitel nur wenig voran. Am Ende hingegen überschlagen sich die Ereignisse erneut und innert weniger Seiten ist alles fertig. Zack-Bum-Peng. Aus.

Die Geschichte und der Stil sind zwar nicht spürbar schlechter als im ersten Teil. Aber viel Neues gibt’s in diesem zweiten Teil nicht. Etliches wiederholt sich, einfach auf etwas andere Art. Deshalb werte ich diesen Roman tiefer als Teil 1.

Meine Wertung: 2 out of 5 stars

 

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05./12.03.

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