Der Thurgau ist ein Schweizer Kanton im Nordosten des Landes, angrenzend an den Bodensee. Der Autor von „Thurgauer Kriminalgeschichten“ hat bei der dortigen Kantonspolizei verschiedene Posten besetzt und war zuletzt Chefermittler. Im Buch berichtet er von den seltsamsten, aufsehenerregendsten und mitunter makabersten Fällen, die im Kanton Thurgau vorgefallen sind. Und das klingt irgendwie spannender als es tatsächlich ist. Aus mehreren Gründen.
Das Buch ist mit knapp über 160 Seiten eher dünn. In diesem überschaubaren Umfang sind ganze 14 Fälle erzählt. Dass man da seine Erwartungen in gewisser Hinsicht drosseln muss, ist klar. Jedem, der meinen Bericht hier liest, zumindest. Ich wusste im Vorfeld nichts davon.
Nun gut, der Autor und selbsternannte Schriftsteller konzentriert sich in den meisten Fällen auf einen prägnanten Schreibstil , der einem Polizeirapport ähnelt. Aus solchen hat Amherd auch die meisten Infos zu seinen spektakulären Thurgauer-Fällen. Diese gehen bis zu 80 Jahre zurück, verständlich, dass hierzu nur noch spärlich Details bekannt sind (wenn überhaupt). Deshalb erfährt der Leser auch kaum etwas zu der Polizeiarbeit, also dem Wie. Wie wurde der Fall gelöst, wie kam die Polizei dem Täter auf die Spur, wie wurde gearbeitet. Das ist schade, insbesondere weil ich genau darauf gehofft hatte.
In ein paar wenigen Fällen schildert Amherd etwas ausführlicher. Das sind dann die Fälle, in die er selber involviert war. Aber auch da wird ziemlich emotionslos erzählt, ohne auf Details einzugehen. Ein besonderes Beispiel stellt die letzte Geschichte dar, als Amherd von einem mutmasslichen Täter mit einem Gewehr bedroht wird und auf der Treppe mit ihm verhandelt. Das klang für mich beim Lesen nach einer höchstens fünfminütigen Angelegenheit, dauerte gemäss Autor aber zwei Stunden.
Verständlicherweise sind diverse Infos, insbesondere Namen, nur gekürzt angegeben, um Rückschlüsse zu verunmöglichen. Dass allerdings auch die Jahreszahl „verschleiert“ wird, fand ich ich dann doch schade, da man die Erzählungen damit irgendwie nicht richtig einordnen kann. Der Autor schreibt von Zeiten, in denen die Thurgauer Kantonalpolizei noch keine Handschellen hatte. Den Leser (mich zumindest) würde doch interessieren, von was für Zeiten wir da reden. War das im letzten Jahrzehnt oder doch schon fünfzig Jahre zurück? In einer Geschichte wird erwähnt, dass die Polizisten, wie damals üblich, mit dem Fahrrad unterwegs waren. Klar, dass das schon länger her sein muss. Aber wie lange genau? Gab es da noch keine Autos? Wie wurden diese Fahrradpolizisten alarmiert, ohne Smartphone und Polycom?
Weiter werden mehrmals sogenannte Landjäger erwähnt. Ohne den Begriff nachzuschlagen schätze ich mal, dass das „Vorfahren“ von Polizisten waren. Warum werden solche Begriffe, die in der heutigen Zeit höchstens noch den älteren Personen bekannt sind, nicht ausführlicher erwähnt. Wie funktionierte damals die Polizei, als es noch keine Smartphones gab? Was war ein Landjäger, was waren seine Aufgaben, seine Kompetenzen?
Wenn man ungefähr weiss, was einen erwartet, ist das Büchlein sicher nicht schlecht. Aber meines Erachtens wurde hier massiv Potential verschenkt. Gerade weil Amherd kein Ahnungsloser ist, der in Polizeiarchiven stöbern durfte, sondern als Insider genügend zu erzählen hätte. Ein bisschen zusätzliches Hintergrundwissen zu den Thurgauer Kriminalgeschichten, und dieses Buch wäre deutlich interessanter geworden.
Meine Wertung:
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