Die Tote am Lago Maggiore (Bruno Varese)

Die Tote am Lago MaggioreMatteo Basso war Polizeipsychologe in Mailand, bis er aus nicht näher beschriebenen Gründen den Job schmiss und an den Lago Maggiore umzog. Da übernahm er in seinem Heimatort Cannobio die elterliche Metzgerei. Seine Mitarbeiterin Gisella wird eines Tages (damit fängt der Roman eigentlich an) tot aus dem See geborgen. Die Polizei glaubt an einen Unfall, Basso nicht. Erst nach ihrem Tod sieht Basso, dass ihm Gisella in der Nacht ihres Todes noch eine Sprachnachricht sandte, in der sie ihn um Hilfe bat. Der Roman handelt nun vom Versuch Bassos, den Mordfall an Gisella aufzuklären. Dabei hat er eigentlich keine Ahnung, wo er damit anfangen soll.

So weit mal ein Plot, der in keiner Weise irgendwie neuartig oder besonders kreativ wäre. So was hat man schon hundertmal gelesen. Aber das gilt für viele Geschichten und muss nicht unbedingt bedeuten, dass etwas schlecht ist. Krimis handeln schliesslich meistens davon, dass ein Mord aufgeklärt werden muss.

Leider wählt Autor Bruno Varese einen Weg, der mehr Langeweile als Spannung verbreitet. Selbst als Matteo Basso bei einem Verdächtigen namens Franco Maldini einbricht und prompt überrascht wird, kommt kaum Spannung auf. Ausserdem: Für einen polizeilich versierten Mann benimmt sich Basso durchaus naiv und kommt bei den Ermittlungen nur deswegen Schritt für Schritt voran, weil der Autor ihm viele zufällige Begegnungen und Umstände schenkt. Da schwirrten mir beim Lesen einfach zu viele Fragezeichen durch den Kopf.

Ein pensionierter Mechaniker findet vor der Polizei heraus, dass Maldinis Unfallwagen manipuliert war. Die Leiche bei einem Autounfall wird nicht gefundne, aber kein Ermittler kommt auf die Idee, dass da was faul wäre? Eine Person, die von einer Firma über Jahre inoffiziell finanziell unterstützt wird, wird doch bestimmt nicht als Mitarbeiter geführt, sondern als Berater oder dergleichen. Und eine Drohne, der man zwei von vier Rotoren zerbricht, fliegt nicht „nicht mehr weit“, sondern schlicht überhaupt nicht mehr. Ausserdem: Das liegt vielleicht an mir, aber ich stellte mir Basso als einen Senioren vor, der den Quasi-Ruhestand am Lago Maggiore geniesst. Entsprechend war ich überrascht, dass der Autor ihm ein Alter von knapp über 40 gab.

Der Schreibstil von Bruno Varese ist sehr blumig ausgeschmückt. Für noch mehr Lokalkolorit verwendet er mancherorts anstelle der deutschen Wörter die italienischen. Auch da, wo es nicht wirklich nötig wäre oder gar dazu führt, dass ich die Übersetzung nachschlagen musste. So ist häufig die Rede vom Lago, nicht vom See. Und Matteo geht in die Macelleria, nicht in die Metzgerei.

Etliche seltsame Sätze, bei denen offenbar typografische Probleme bestehen, bremsen da und dort das Lesevergnügen zusätzlich.

„Vermutlich rührte die Bescheidenheit wer wollte, konnte es auch Geiz nennen -, die den Menschen in dieser Gegend bis heute nachgesagt wurde, nicht zuletzt aus dieser Vergangenheit, in der man sich alles hart hatte erarbeiten und auf vieles hatte verzichten müssen.“

Solche Sätze gibt es mehrere. Allen ist gemeinsam, dass irgendwelche Satzzeichen fehlen. In diesem Fall ist es nur ein Strich, in anderen Fällen sind es zwei. Es ist schön, dass es sich offensichtlich um Spezialfälle handelt und vermutlich lediglich ein typografisches Problem vorlag. Denn ansonsten scheinen die Kommas und Punkte durchaus richtig gesetzt. Störend ist es natürlich dennoch. Hier noch ein zweites Beispiel, wenige Seiten später:

Andererseits der Anflug eines Lächelns glitt über Matteos Gesicht, als er gegen die Verandatür drückte und diese sofort nachgab wenn man so bereitwillig hereingebeten wurde.

Störend ist manchmal auch die Länge der Sätze. Beispiel:

„Als gäbe es doch noch die Möglichkeit, sich die Entscheidung von seinem Auto abnehmen zu lassen, prüfte Matteo erneut die Temperaturanzeige, schaltete Gebläse und Heizung ein, aber sie zeigte immer noch einen zu hohen Wert an und erlaubte nicht, in die höher liegenden Dörfer zu fahren oder die Route zu ändern und einen großen Bogen über Santa Maria Maggiore und Malesco nach Orasso zu nehmen, um am Grab der Eltern vorbeizuschauen.“

Vielleicht habe ich zu viel Marketing und Journalismus im Hinterkopf, aber solche Sätze sind in meinen Augen schlicht schlecht. Wenn sich dann noch herausstellt, dass der Satzinhalt eigentlich völlig unwichtig ist, dann erst recht.

Unwichtig sind übrigens die meisten Sätze. Sie könnten genauso gut aus einem Fremdenführer stammen, helfen bildlich denkenden Lesern, sich die Gegend besser vorstellen zu können, haben für die Geschichte ansonsten aber weitestgehend keine Bedeutung. Man erfährt sehr viele Details, die das Leben in der Gegend gut wiedergeben. Das ist bereichernd, zugleich aber eine Gefahr. Denn wenn mit den ausschweifenden Formulierungen übertrieben wird, empfindet der Leser das möglicherweise als langatmig (im besseren) oder langweilig (im schlechteren Fall). Und bei mir war die Tendenz klar zum ’schlechteren‘ Fall. Die ersten fünfzig Seiten vergehen jedenfalls ohne dass wirklich etwas geschieht. Klar, die Gisela stirbt. Aber das nimmt schriftstellerisch nicht viel Platz in Anspruch.

Der Autor hat eine Gabe, Szenerien wortgewandt zu umschreiben. Und er kennt die Gegend, in der dieser Roman spielt, bestimmt so gut, wie er sie beschreibt. Ein Krimi lebt aber mindestens zu wesentlichen Teilen von der Spannung. Und die ist in „Die Tote am Lago Maggiore“ definitiv viel zu kurz gekommen. Dass am Ende noch ein, zwei Wendungen auftauchen, ist sympathisch, rettet aber den Gesamteindruck auch nicht mehr so richtig. Zumal sie auch nicht zu 100 % glaubwürdig konstruiert sind. Apropos Glaubwürdigkeit: Eine Frau wird erpresst. Sie trifft ihren Erpresser (alleine) am See. Sie weigert sich, ihn zu bezahlen, lacht ihn stattdessen aus. Dann zieht sie aus und geht schwimmen. Vor seinen Augen. Mitten in der Nacht. Klar doch, Herr Varese.

Meine Wertung: 1.5 out of 5 stars

 

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05./08.02.

2 Kommentare

    • Sehr durchschnittlich find‘ ich eine spannende Bewertung. 🙂 Sicher spannender als das vorliegende Buch. Und meines Erachtens bewertest du den Roman damit viel zu positiv.

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