Gwen hiess früher Gina. Sie ist die Ex-Frau eines Serienmörders, der hinter Gittern auf seine Hinrichtung wartet. Mit ihren Kindern Lanny und Connor lebt sie seit der Verurteilung ihres Mannes mehr oder weniger auf der Flucht. Denn die Hinterbliebenen der Opfer ihres Mannes und zahlreiche Idioten in den weiten des Internets glauben nicht an ihre Unschuld und wollen sich an ihr und ihren Kindern rächen.
Nachdem sie bereits mehrmals wieder von der Online-Meute „entdeckt“ wurden und flüchten mussten, sind sie mittlerweile in einer idyllischen Ortschaft namens Stillhouse Lake angekommen (was auch dem englischen Originaltitel entspricht).
Für die Flucht brauchten sie natürlich immer wieder neue Identitäten. Die bekommen sie von einem Internet-Sympathisanten, der sich Absalom nennt. Er war anfänglich massgeblich beteiligt beim Kreuzzug gegen Gwen, hat sich dann aber später auf ihre Seite geschlagen, als klar wurde, dass der Mob sich auch gegen die Kinder wandte. Anonym gibt’s bei Absalom Hilfe und Hinweise auf in Frage kommende Liegenschaften. Alles gegen Bezahlung in Bitcoins. Ansonsten kann Gwen auf keine Verbündeten zählen.
Es ist nicht ganz logisch. Wenn Absalom einen Kreuzzug gegen die drei starten konnte, müsste es ja auch denkbar sein, diesen jetzt auf irgendeine Art zu stoppen, auf falsche Fährten zu lenken oder wenigstens neue entlastende Erkenntnisse zu streuen. Stattdessen hilft er nur immer wieder, einmal mehr zu entkommen. Naja, so will es halt die Geschichte.
Die Geschichte von Rachel Caine, die bislang vor allem als Vampir-Autorin in Erscheinung trat, spielt an eben diesem hübschen Ort Stillhouse Lake mit seinen etwas introvertierten alteingesessenen Bewohnern. Gepaart mit der Paranoia, die Gwen aus verständlichen Gründen an den Tag legt, ist das nicht die beste Voraussetzung, um Freunde zu gewinnen. Das grössere Problem ist allerdings, dass ausgerechnet hier, wo sich Gwen endlich mal langfristig niederlassen wollte, ein Mord geschieht. Kein gewöhnlicher Mord, sondern einer, der genau nach dem gleichen Muster geschah, wie ihr Mann damals mordete. Und bald darauf einer zweiter. Keiner kann noch an Zufall glauben, am wenigsten Gwen.
Dass es nicht ihr Mann sein kann, ist naheliegend, der befindet sich ja im Knast. Aber dass es mit ihm zu tun hat, davon ist sie überzeugt. Sie braucht dringend Hilfe, aber selbst die Polizei ist sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich unschuldig ist oder hier das Werk ihres Mannes fortsetzt. Und wann immer die ohnehin paranoide Gwen zu jemandem besonders Vertrauen gewinnt, scheint es bald darauf wieder der Falsche gewesen zu sein.
Die Autorin schafft es auf eindrucksvolle Art, die Psyche von Gwen rüber zu bringen. Man leidet mit ihr. Allerdings erwähnt sie dann auch ein paar mal mehr mehr als nötig, wie stark Gwen das Verlangen hat, sich und vor allem ihre Kinder zu schützen. Dass da gemäss Rezensionen dem einen oder anderen Leser die Lust vergeht. Tatsächlich ist ein etwas langer Mittelteil hauptsächlich von dieser Paranoia Gwens geprägt. Das wäre auch kürzer gegangen.
Der Start ist echt rasant, gleitet dann aber in eben diesen eher zähen Mittelteil ab, durch den man sich beissen muss. Irgendwann in der zweiten Hälfte nimmt die Geschichte dann zügig Fahrt auf und erinnert bald an eine bremsenlose Achterbahn. Nichts ist mehr wie es war, keinen Schimmer, wem man bzw. Gwen trauen kann und aufgrund der düsteren Vorgeschichte schwant einem Schlimmes. Nur gut, dass amerikanische Geschichten meistens mit einem Happy End schliessen, so auch in diesem Fall. Aaaber…
Ganz alles ist nicht in Butter, wenn die letzte Seite vorbei ist. Dem Ex-Mann von Gwen gelingt tatsächlich die Flucht aus dem Gefängnis. Damit ist der Steilpass für Teil 2 gemacht. Auf Englisch ist Stillhouse Lake 2 auch schon erschienen, es wird eine Frage der (hoffentlich kurzen) Zeit sein, bis er das auch auf Deutsch tut. Und dann landet er mit Sicherheit auf meinem Reader.
Vielleicht kennt Rachel Caine bis dann auch den Unterschied zwischen Revolver und Pistole. Gwen hat letzteres und somit keine Trommel, die sie Patronen laden kann. Und vielleicht (ich hoffe es) zügelt sie die makabre Brutalität in ihrer Fantasie ein bisschen, wenn sie die Taten von Mel Royal, dem Serienmörder, beschreibt.
Meine Wertung:
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12./15.03.