Julian Koch ist ein Arschloch und wirft einen Stein von einer Autobahnbrücke. Deshalb stirbt eine junge Frau. Ein tragischer Tod, für den sich die Geschichte aber nicht wirklich interessiert. Entscheidend ist, dass es sich beim Opfer um die Braut eines Gangsters handelt. Und der hält mehr von persönlicher Rache als von gerechter Strafe durch die Staatsgewalt.
Als erstes stirbt der Freund von Julian. Der war beim Steinwurf zwar nur dabei, ist aber im Gegensatz zu Julian nicht geflüchtet. Deshalb konnten ihn die Gangster finden. Danach erwischt es den Hund von Familie Koch, dann den Grossvater. Der Grossvater überlebt schwer verletzt, der Hund nicht.
Die Schwester Julians, Saskia, ist hin- und hergerissen: Soll sie ihrem Bruder helfen oder ihn verpetzen? Sie ist dumm genug und hilft ihm, gibt ihm Geld mit. Sie ist davon überzeugt, dass Julian der Täter ist. Ihr Handeln lässt aber dennoch immer wieder vermuten, dass sie auf einen Irrtum hofft. So genau weiss man das aber nicht, weil der Autor sich nicht die Mühe macht, allzu viel über die Psyche seiner Protagonisten zu schreiben. So wird Saskia weitgehend der Fantasie des Lesers überlassen, genau wie Julian und eigentlich alle anderen Figuren.
Bald wird Saskia vom kriminellen Witwer persönlich unter Druck gesetzt. Entweder sie verrät ihren Bruder oder ihre Familie wird nach und nach eliminiert. Das bietet natürlich gewaltiges Potential für eine grossartige Geschichte. Aber sowas gibt’s hier nicht. Stattdessen geschieht einfach eines ums andere. Schlicht beschrieben, weitgehend emotionslos. Und leider auch häufig ohne wirklich Spannung aufkommen zu lassen.
Die Gespräche sind desöftern seltsam bis doof, scheinen nicht realistisch. Ein Grossvater spricht vor seiner Enkelin doch nicht von „meinem Sohn“, sondern von „deinem Vater“. Auch zieht Saskia Schlüsse, die im echten Leben in dieser Situation wohl kaum jemand einfach so ziehen würde. Da legt ihr der Autor mehrmals Gedanken in den Kopf, die zuviel vorweg nehmen. Als Andi (egal, wer das ist) verschwindet gibt es noch überhaupt keinen Hinweis darauf, dass Dritte damit zu tun haben und die sich vielleicht auch gegen Saskia oder ihre Familie wenden könnten. Trotzdem kommt ihr dieser Gedanke. Und die Schicksalsschläge werden von der Familie Koch so locker verkraftet, dass ich schon mal den Kopf schütteln musste. Glaubwürdig ist das nicht mal annähernd.
Irgendwie erinnert mich der Schreibstil an einen Jugendroman. Ich kann mir auch nicht helfen, aber wenn immer von Saskia erzählt wird, sehe ich ein Kind vor mir. Tatsächlich ist Saskia aber deutlich älter, da sie als ausgebildete Arzthelferin arbeitet und Auto fahren darf.
Das mafiaähnliche Verhalten von Boris Dupic erfüllt vor allem Klischeevorstellungen. Die scheinbar hilflos unterlegene Polizei will auch nicht so überzeugen. Und Dupric weiss innert kürzester Zeit alles über Saskias Familie, trampelt einfach in deren Wohnung, droht, killt den Hund, erschiesst den Grossvater (fast) und verschwindet wieder. Hm.
Alles in allem maximal Groschenroman-Niveau. Das gilt auch für den Umfang von gerade mal knapp über 100 Seiten. Dass man da keine tiefgehende Figurenpsychologie betreiben kann und sich stattdessen auf das Vorantreiben der Geschichte konzentrieren muss, leuchtet ein. Gemäss der Website des Autors hat Martin Barkawitz schon mehrere hundert (!) Heftromane, Taschenbücher und E-Books geschrieben. Andere Autoren lassen sich ein Jahr und mehr Zeit pro Roman. Dass da das Resultat nicht das Gleiche sein kann, ist verständlich.
Der Autor verwendet die Bezeichnung Thriller für das vorliegende Buch. Ein Thriller, ein solches Urteil masse ich mir zu, ist dies definitiv nicht. Bestenfalls ein Krimi. Vielleicht ein Jugendkrimi? Das letzte Kapitel, in dem man erfährt, was eigentlich mit Julian Koch passiert, ist der Brüller. Wär‘ die Bewertung allein nach diesem letzten Kapitel, gäb’s wohl nicht mal einen Stern. Liebloser kann man keine Geschichte abschliessen.
Meine Wertung:
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10./11.02.